Alles Gute mein Sohn – hatte Vater gesagt, gleich am Morgen, als ich die Treppe herunter kam. Meine Mutter, blaue Augen, die
Schwester, ein reizendes Lachen, und ein Brief auf dem Tisch, der
nicht so schmuck aussah, wie die restlichen Geburtstagsgrußkarten.
Ich war 16 und im Krieg.
Stand in Hauseingängen oder lag in Schützengräben.
Bin geschlichen, marschiert und gerannt. In Stille harrend
wartete ich schier unendlich lang; allein, allein zwischen Fremden, den Fremden die wohl mit mir für eine gemeinsame Sache kämpften.
Ich habe das Sterben der Kameraden, das Frieren und Hungern, sowie die Granaten, Splitter, Bomben, Regen, als auch Angst und Verzweiflung ertragen.
(Im Krieg, mein Junge, bist du kein Mensch. Du wirst als Jemand geholt, doch dann zum Niemand angezogen, weggefahren, verschifft, und am Ende Gott weis wo abgeladen.)
Im Sommer auf einem Kutter, ((ich weis noch, sein Lächeln..))
einem recht großen, ist eine Essensration spurlos verschwunden, der Kessel, wie man sich später erzählte, ist im Fluss versunken, woran mein Kamerad Biller und ich uns nicht störten, es war nur schade um den Rest, den wir nicht mehr essen konnten.
((..sein Lachen.))
Von da an machten wir gemeinsam Späße und uns gegenseitig Mut, sprachen über Leute die wir kannten, was die wohl erlebt hatten und auch über das, was wir im Frieden mit unserem Leben zutun gedachten.
Bei einer Wehranlage dann, die wir gerade erreichten, blieben wir draußen – plötzlich das Pfeifen, das Knacken, das Krachen, keine Schreie, nur ein Platzen, ein echter Treffer mitten hinein!
(Im Krieg bist du niemand, so war es schon immer, so ist es auch jetzt, und kaum ein Niemand, der dort sein Leben lässt, wird als Jemand jemals richtig beigesetzt.)
Wir standen geduckt, Schreck im ganzen Leib, in der Grube und horchten..
Schüsse (!) – wir schossen. Wohin? Egal, es beruhigte die Nerven und neben den Schüssen auch noch ein klacken..
Granaten (!) vor uns – gleich zwei, nein drei! Biller zur rechten, ein Splitter, ein Gurgeln, Augen die brachen, Blut, eine Fontaine von oben bis unten. Billers Hals lag offen und ich in seinem Saft, zitternd, er auf dem Boden, ich Kopf rot triefend nass, von oben bis Fuß, von unten bis Hass.
Doch schrie ich nicht, schrak nicht und schoss auch nicht mehr. Ich atmete nur, langsam, tief, bedächtig und schwer, ein aus, um nicht zu ertrinken im Dreck und im Leid, aus und ein.
(Vergiss nicht wer du bist, denn wenn dir als Niemand Tränen in den Augen liegen, werden diese Tränen auch über niemandes Wangen fließen..)
Keine 6 der 54 waren schlussendlich lebendig geblieben. Wenigstens hatten wir die Wahl zwischen einem schnellen Tod oder in Gefangenschaft weiter zu Leben.
(..und wenn du schreist und Niemand bist, schreit niemand Worte, die jemand hört, der Jemand ist.)
Ja nun, was willst du noch wissen? Die Kämpfe erstarben. Wochen vergingen. Es kam allmählich zum Frieden und ich schließlich wieder zu meiner Familie, zu meinen Liebsten.
Ich war 17 und im Krieg gewesen.
(Doch auch irgendwie im Krieg geblieben.)